Im Jahr 2012 zeigten Ultraschalluntersuchungen am Basismetall der Reaktordruckbehälter (RDB) von Tihange 2 und Doel 3 eine große Anzahl von Einschlüssen / Rissen. Als Konsequenz forderte die belgische Regulierungsbehörde FANC die Lizenznehmer auf, erneut die Sicherheit der beiden Reaktoren zu demonstrieren. Diese Neubewertung wurde im Jahr 2016 von FANC akzeptiert und die Erlaubnis gegeben, den Betrieb bis zum geplanten Laufzeitende nach 40 Jahren fortzusetzen. Es gibt Zweifel bei Experten, ob der RDB von Tihange 2 auch unter Unfallbedingungen noch als sicher einzustufen ist.

Die vorliegende Arbeit postuliert daher ein RDB-Versagen, einen auslegungsüberschreitenden Unfall. Die Analyse basiert auf ingenieurstechnischer Bewertung. Sie zeigt, dass schwere Kerndegradation und ein Versagen des Sicherheitsbehälters als Folge des RDB-Versagens wahrscheinlich sind, oder zumindest, nach aktuellen Stand des Wissens, nicht ausgeschlossen werden können. In einem zweiten Schritt wurden mögliche radiologische Folgen für Aachen nach einer großen Freisetzung im KKW Tihange 2 analysiert. Dafür wurden die Ergebnisse des Projekts FlexRISK herangezogen. Zwei Arten von Ergebnissen aus diesem Projekt – eine einzelne, ungünstige Wettersituation und die wetterbedingte Wahrscheinlichkeit einer Kontamination – werden in diesem Papier diskutiert.

Für einen Unfall bei den angenommenen, ungünstigen Wetterbedingungen konnte gezeigt werden, dass die zu erwartende Lebenszeitdosis für einen Bürger von Aachen 20-mal höher ist, als der Wert, der in der deutschen Strahlenschutzverordnung (§49) festgelegt ist. Die berechnete Dosis für eine Sieben-Tage- Exposition nach diesem Unfall würde gemäß der deutschen Eingreifrichtwerte eine Evakuierung des Raums Aachen erfordern. Diese Auswirkungen auf Aachen sind mit denen auf Städte innerhalb der 20 km Sperrzone von Fukushima vergleichbar. Bei der Auswertung einer Reihe von repräsentativen Wetterbedingungen konnte gezeigt werden, dass die wetterbedingte Wahrscheinlichkeit einer Kontamination für Aachen und den westlichen Teil von Deutschland höher ist, als für die Regionen westlich von Tihange.

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