Zur Studie über die Stromversorgung Belgiens im Falle eines Atomausstieges erklären die Kreisvorsitzenden der GRÜNEN Gisela Nacken und Alexander Tietz-Latza:

„Die Ergebnisse der Studie belegen, dass Tihange 2 kurzfristig ohne Versorgungsengpässe vorzeitig abgeschaltet werden kann, wenn die Versorgungsleitungen zwischen Deutschland und Belgien weiter ausgebaut werden. Wir tun von unserer Seite alles, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter zu fördern, um dieses Vorhaben so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen. Bald wird es eine MAHHL-Konferenz zum Thema „Sicherheit der Atomkraftwerke in der Drei-Länder-Region“ geben, in der solche Fragen diskutiert werden. Auch die rot-grüne Landesregierung will den Ausbau der Stromverbindungen zwischen Deutschland und Belgien vorantreiben. Wenn jetzt auch noch die Bundesregierung entsprechende Arbeitsstrukturen initiiert, sind wir auf einem guten Weg, dass der Schrottmeiler 2020 vom Netz gehen kann und wir auf dem Weg für einen europäischen Atomausstieg einen Schritt voran gekommen sind.“

Hintergrund

Das NRW Umweltministerium hat eine Studie zur Stromversorgung Belgiens im Falle eines Atomausstiegesin Auftrag gegeben beim Aachener Büros für Energiewirtschaft und technische Planung (BET) und des Instituts für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft (IAEW) der RWTH Aachen. Die Studie kommt zu folgendem Ergebnis: Ein Ausstieg Belgiens aus der Atomkraft bis 2025 wäre möglich, wenn zwei zusätzliche Versorgungsleitungen zwischen Deutschland und Belgien gebaut würden. Eine Leitung ist bereits in Planung. Eine weitere

Zur Abschaltung des kritischen Rissreaktors Tihange 2 heißt es in der Studie:

„Die Abschaltung der wegen der Rissbefunde im Druckbehälter besonders problematischen Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 ist kurzfristig ohne Versorgungsengpässe vorzeitig möglich, wenn jetzt schnell und in einer gemeinsamen Kraftanstrengung gehandelt wird. Die Inbetriebnahme der beiden in Realisierung befindlichen Interkonnektoren ALEGrO und UK-Flandern mit jeweils einer Kapazität von 1.000 MW reichen zusammen aus, um die dauerhafte Stilllegung von Tihange 2 (1.008 MW) und von Doel 3 (1.006 MW) sicher zu kompensieren.“

Umweltminister Johannes Remmel (GRÜNE) will Ausbau der Stromverbindungen zwischen Deutschland und Belgien vorantreiben. Auch die Bundesregierung solle entsprechende Arbeitsstrukturen auf den Weg bringen, wie Ausstieg aussehen kann.

Studie Versorgungssicherheit Belgien

Artikel der Aachener Nachrichten

Die Kernbotschaften der Studie

an die Adresse der belgischen Akteure zur Stromversorgung Belgiens im Falle eines Atomausstieges“ unter Berücksichtigung der Ergebnisse der BET-Studie

  1. Die nordrhein-westfälische Landesregierung setzt sich für die Sicherheit der nordrhein-westfälischen Bevölkerung auch bei grenzüberschreitenden Risiken ein. Atomkraftwerke sind großen Gefahren ausgesetzt. Naturkatastrophen, Terrorismus und technische Mängel können zu erheblichen Schäden auch in Europa führen. Die Landesregierung drängt deshalb seit langem auf eine umfassende Stilllegung der belgischen Atomreaktoren an den Standorten Tihange und Doel, insbesondere der besonders problematischen Reaktoren Tihange 2 und Doel 3. Dabei respektiert sie selbstverständlich die souveränen Entscheidungsbefugnisse Belgiens. Sie begrüßt, dass seit 2003 belgische Regierungen sowie das belgische föderale Parlament wiederholt den Beschluss gefasst haben, alle bestehenden Atomkraftwerke bis spätestens 2025 stillzulegen, und möchte diesen Prozess konstruktiv begleiten, unterstützen und gezielt beschleunigen.
  2. Zur Europäischen Union gehört der Energiebinnenmarkt mit einem grenzüberschreitenden Handel von Strommengen über grenzüberschreitende Verbindungen im Stromnetz. Bereits heute ist Belgien den überwiegenden Teil des Jahres Stromimportland und  profitiert vom internationalen Stromaustausch und ist damit auf eine optimale Vernetzung insbesondere mit den angrenzenden Strommärkten seiner Nachbarn angewiesen. Eine wichtige Rolle für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit ist die Verbesserung der technischen Möglichkeiten für eine optimale Anbindung Belgiens an die angrenzenden Strommärkte in Deutschland und den Niederlanden über entsprechende Verbindungen im Stromnetz. Es ist ein Widerspruch im zusammenwachsenden Europa, das eine Energieunion anstrebt, dass noch keine Verbindung im Stromnetz zwischen Belgien und Deutschland besteht.
  3. Nach einem vom nordrhein-westfälischen Umweltministerium beauftragten Gutachten ist Belgien mittelfristig nicht auf die Atomenergie angewiesen, wenn angemessene Vorkehrungen getroffen werden. Die Abschaltung der wegen der Rissbefunde im Druckbehälter besonders problematischen Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 ist kurzfristig ohne Versorgungsengpässe vorzeitig möglich, wenn jetzt schnell und in einer gemeinsamen Kraftanstrengung gehandelt wird. Die Inbetriebnahme der beiden in Realisierung befindlichen Interkonnektoren ALEGrO und UK-Flandern mit jeweils einer Kapazität von 1.000 MW reichen zusammen aus, um die dauerhafte Stilllegung von Tihange 2 (1.008 MW) und von Doel 3 (1.006 MW) sicher zu kompensieren. Neben der Übertragungsleitung von Oberzier (NRW) nach Lixhe (Wallonien) mit einer Kapazität von 1.000 MW wird die zweite grenzüberschreitende Leitung von Nordrhein-Westfalen in die Wallonie mit derselben Kapazität von 1000 MW für einen belgischen Atomausstieg unentbehrlich, aber noch nicht hinreichend sein. Aus dem Gutachten ergibt sich, dass eine größere Dimensionierung mit einer Kapazität von 2000 MW gut ausgelastet und sinnvoll wäre. Dazu sollten auf beiden Seiten der Grenze die Entscheidungen über die Leitung und ihre Dimensionierung so schnell wie möglich getroffen werden, damit sie bis 2025 realisiert wird.
  4. Die Bundesnetzagentur hat 2016 ein Szenario genehmigt, nach dem die Kapazität zwischen beiden Staaten auf 2 GW verdoppelt werden soll, so dass die Netzbetreiber den Bedarf einer zweiten Leitung im Netzentwicklungsplan 2030 berechnen und am 31.01.2017 vorstellen werden. Die Landesregierung beteiligt sich regelmäßig an den Konsultationsverfahren zur Netzentwicklungsplanung gegenüber Netzbetreibern und Bund. Sie wird sich in ihrer Stellungnahme zum Netzentwicklungsplan 2030 auf Grundlage des von ihr in Auftrag gegebene Gutachtens für den weiteren Ausbau der Stromnetzverbindungen zwischen Deutschland und Belgien einsetzen, so dass die entsprechenden Entscheidungen zeitnah getroffen werden, damit eine Umsetzung bis 2025 erfolgen kann.
  5. Allerdings muss die Stilllegung von Stromerzeugungskapazitäten in Belgien durch weitere Maßnahmen flankiert werden, insbesondere durch den ambitionierten Zubau von erneuerbaren Energien, den Bau (bzw. die Wiederinbetriebnahme) von emissionsarmen Gaskraftwerken, die die ohnehin geplanten Verstärkungen des inländischen (belgischen) Stromnetzes und die Verbesserung der grenzüberschreitenden Verbindungen für den Stromaustausch mit Deutschland und den Niederlanden. Die nordrhein-westfälische Landesregierung möchte bei diesem Prozess konstruktiver Partner sein. Dazu wäre es ausgesprochen hilfreich und notwendig, wenn die Bundesregierung gemeinsam mit den belgischen und niederländischen Partnern eine entsprechende Energiekommission zur Umsetzung und Begleitung sowie Abstimmung der notwendigen Maßnahmen und weiteren Schritte initiieren könnte.
  6. Eine weitere Option zur Absicherung der Stromversorgung Belgiens ist die Reaktivierung des in den Niederlanden südlich Roermond gelegenen modernen (RWE-)Gaskraftwerks Claus C mit ca. 1.300 MW Kapazität. Um es für die belgischen Stromversorgung nutzbar zu machen, müsste die Netzverbindung nach Belgien auf einem kurzen Teilstück ausgebaut und von Seiten Belgiens unter Vertrag genommen werden. Belgien verfügt damit grundsätzlich über mehrere Optionen, seinen Atomausstieg ohne Versorgungsdefizite abzusichern. Nordrhein-Westfalen kann und will Belgien bei diesem Prozess unterstützen.